Ockfener Ortschronik


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Weinbau bis 1945 in Ockfen


Als Rebsorte herrschte bis tief ins 19. Jahrhundert die Kleinberger Traube. Man trieb Quantitätsbau, noch nicht Qualitätsbau. Diese Weine konnten natürlich, nachdem das Rheinland zu Frankreich gekommen war, mit den französischen Weinen nicht konkurrieren. Es fehlte der Absatz, die Preise standen niedrig. Erst als das Rheinland im Jahre 1815 an das weinarme Preußen kam, stiegen die Preise wieder. Die Aufbauflächen wurden vergrößert. Aber nur von kurzer Dauer war diese Konjunktur. Bergab ging es wieder nach Abschluss des Zollvereins. Aus Rheinhessen und Süddeutschland kamen große Mengen Wein nach hier und die Keller der Winzer blieben überfüllt. In der Not schlug man den Wein um jeden Preis los. Für 15 Pfg. bekam man einen Milchkessel voll Wein zu trinken, für 50 Pfg. bekam man den Kellerschlüssel. Armut und Not zog ein.

Die vierziger Jahre (1840) standen unter dem furchtbaren Zeichen der Auswanderung. Zahlreiche Winzer aus Ockfen wanderten aus: Merten Matthias, Hausen Matthias, Gasthauer Matthias und Schmitt Johann. Die beiden Letzteren trieben Heimweh oder vielleicht auch Enttäuschung schon nach kurzer Zeit wieder in die Heimat zurück.

Mit dem Jahre 1857 begann ein neuer Aufstieg. Die Winzer stellten die Weinberge auf Riesling Trauben um. Es begann durch Düngung und rationelle Lese, die Gründung von Winzergenossenschaften, die Bekämpfung der Rebschädlinge, die in der 70er Jahren (1870) dem Winzer immer mehr die Ernte beeinträchtigten, sowie durch intensivere Bodenbearbeitung die Erzeugung qualitativ hochstehender Weine. So kam es zu einer Hochkonjunktur im Weinbau.

Die Preise standen sehr hoch. Um die Jahrhundertwende (1899 / 1900) waren Preise bis zu 1000 Taler keine Seltenheit und der alte Winzer zehrt heute noch von jener „goldenen“ Zeit ( um 1910) , wenn er in der heutigen Notzeit (um 19559 erzählt, wie der Weinherr – so nannte er der Weinhändler – die blanken Goldstücke zu je 100 Mk geordnet in Reih und Glied, auf den Stubentisch abzählte.

Der gute Absatz und die hohen Preise trieben naturgemäß zu einer bedeutenden Erweiterung des Weinbaus. Nicht nur der einheimische Winzer, sondern auch ortsfremde kapitalkräftige Interessenten versuchten neues Weinbergsgelände zu erwerben. Lohhecken wurden in Weinberge umgewandelt. Selbst der Staat erblickte in der Weinbergsanlage eine lohnende Einnahmequelle. So kam es zur Anlage von Weinbergsdomänen. Die Anlage der hiesigen Domäne ist ein Verdienst des Forstmeisters Heppenstein, der aus günstig gelegenem Staatswald eine Weinbergsanlage von 130.000 Weinstöcken machte, die heute ( um 1950) noch vielen ortsangesessenen Kleinwinzern eine lohnende Nebenbeschäftigung gibt. Um die Verdienste des Forstmeisters gebührend zu ehren, ist ein Distrikt der Weindomäne nach seinem Namen bezeichnet. Der „Heppenstein“ liefert einen ausgezeichneten Tropfen.

Auch die Weingüter Gebert und Rheinert haben ihre Rebflächen bedeutend vergrößert, hauptsächlich im „Geisberg“. Ein Hang, an dem noch vor hundert Jahren ( um 1850) die Geißen der kleinen Leute ihre kümmerliche Nahrung suchten, liefert heute ein ansehnliches Quantum Wein. Nicht weniger als 8 große Weingüter, einschließlich der bereits genannten, bewirtschafteten heute ( um 1955) eine Weinbergsfläche von rund 800.000 Weinstöcken. Selbstverständlich haben auch die Ockfener Winzer ihre Weinbergsflächen bedeutend erweitert. Die Aufwärtsentwicklung des Weinbaus zeigen folgende Zahlen: Im Jahre 1861 wurden 40 ha, 1929 rund 80 ha und heute ( um 1955) etwa 130 ha bewirtschaftet mit einer Ernte im normalen Herbst von annähernd 700 Fuder.

Nach dem Weltkrieg ( 1.Weltkrieg 1914/18) erlebte der heimische Weinbau wieder eine bittere Notzeit. Die Ursachen waren verschiedener Art. Durch das Versailler Diktat war den ausländischen Weinen Tür und Tor geöffnet. Das wichtigste Abnahmeland unserer Saarweine, das Saargebiet war durch die Zollgrenze vom Bezug der Weine ausgeschlossen. Dazu kam noch, dass die Kaufkraft des deutschen Abnehmers durch die rapide steigende Zahl der Arbeitslosen immer geringer wurde. Der Ockfener Winzer blieb auf seinen Weinen sitzen. Notverkäufe zu Preisen, die noch nicht einmal die Gestehungskosten decken, werden getätigt. Pfändungen sind an der Tagesordnung. Die Not der Winzer wird so groß, dass behördlicherseits Versuche unternommen werden, diese Not zu steuern. Eine Weinpropaganda setzt ein. Patenweinstädte werden gesucht, Wein- und Winzerfeste werden veranstaltet. Die Lage der Winzer erfährt durch den „Patenwein“ eine bescheidene Besserung. Der Weinabsatz erlebt einen Auftrieb, wenn auch die Preise sich in bescheidenen Grenzen halten.

Im Kriege (2. Weltkrieg 1940/45) bedingen die Bedürfnisse der Wehrmacht und die guten Verdienstmöglichkeiten aller Volksschichten einen flotten Absatz zu annehmbaren Preisen.

Nach dem unheilvollen Krieg (1940/45), der neben den Kriegsschäden an Gebäuden, auch die Kaufkraft unserer Mark immer mehr entwertete, war der Wein ein gern gesehenes Tauschobjekt, der gegen Baumaterialien, Bedarfsgegenstände zur Weiterführung des Betriebes und des Hauses und sonstigen Anschaffungen eingetauscht wurde. Manchem Winzer im Dorfe, der in den letzten Monaten des Krieges sein Haus, Vieh und Inventar verloren hatte, gab der Wein die Möglichkeit, sein Heim wieder aufzubauen und seinen Betrieb wieder notdürftig in Gang zu bringen.


Autor: Alfons Müser

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